01.02.2019
Festgottesdienst am 6. Februar zum 100 Jährigen Jahrestag der Eröffnung der Nationalversammlung

Superintendent Henrich Herbst in Glaube und Heimat Nr. 5 / 2019 Nachgefragt

100 Jahre Weimarer Reichsverfassung, 6.2.2019

 

GuH: Die Feierlichkeiten beginnen mit einem ökumenischen Gottesdienst. Gibt

es dazu ein historisches Vorbild oder spielte vor 100 Jahren der

kirchliche Segen keine Rolle?

 

Herbst: Solche Gottesdienste stehen in einer langen parlamentarischen Tradition. Die Reichstage des alten Reiches wurden mit einem Festhochamt eröffnet. 1871 bei der Reichsgründung fanden Gottesdienste im evangelischen Berliner Dom und in der katholischen St. Hedwigs-Kathedrale statt. An diese Tradition knüpfte man 1919 in Weimar an, als die evangelische Kirchengemeinde die evangelischen Abgeordneten der Nationalversammlung zu einem Gottesdienst aus Anlass der Eröffnung der Nationalversammlung in die Herderkirche einlud. Ein ökumenischer Gottesdienst war 1919 noch nicht möglich. Die katholischen Parlamentarier feierten eine Messe in der katholischen Pfarrkirche Herz Jesu. Vom Gottesdienst in der katholischen Kirche haben wir eine Fotografie. Den evangelischen Gottesdienst leitete der Stiftsprediger und spätere Weimarer Superintendent Friedrich Schmidt. Die Predigt von damals ist uns erhalten. Er legte den Abgeordneten Worte des Propheten Jeremia (Kapitel 29, Verse 11-14) aus. Der gleiche Bibeltext steht auch im Zentrum des ökumenischen Gottesdienstes am 6. Februar 2019. Ihm ist das Motto entnommen: „Zukunft – Hoffnung – Zuversicht“.

 

GuH: In der WRV distanzieren sich Staat und Kirche voneinander (Art. 137,

Abs.1). Stellen Sie mit dem ökumenischen Gottesdienst nicht eine starke

Staat-Kirchen-Verbindung her

 

Herbst: Diese Frage kann ich nachvollziehen. Heute geht es nicht um eine Verbindung von Staat und Kirche. Staat und Kirche sind getrennt und sehr verschieden, aber sie stehen in einer Beziehung zueinander. An diesem Tag geht es in der Bundesrepublik um Erinnerung und gleichzeitig auch um Vergewisserung darüber, welchen Weg wir in Zukunft gehen wollen. Darum wird es sicher auch in der Rede von Bundespräsident Walter Steinmeier im Deutschen Nationaltheater gehen. Im Gottesdienst und durch unsere Gemeinschaft wollen wir allen, die es wünschen, einen zusätzlichen Raum anbieten. Da geht es um das Hören auf Gottes Wort, um Orientierung, um unser gemeinsames Gebet und um die Bitte um Gottes Segen. Anders als vor 100 Jahren feiern wir am 6. Februar, wie gesagt, ökumenisch. Wir haben Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen eingeladen und um einen Friedensgruß gebeten.

 

GuH:  Welche Artikel aus der WRV, messen Sie bis heute große Bedeutung bei?

 

Herbst: „Staat und Kirche sind getrennt“. Das ist für mich bis heute der wichtigste Satz in diesem Zusammenhang, denn er schenkt der Kirche die Freiheit vor dem Zugriff des Staates und weist sie an ihren eigenen Auftrag.