29.10.2014
Cranach-Altar erstmals wieder in Gesamtkonzeption zu sehen - Konservieren und Restaurieren kostete 53 000 Euro

Die Stadtkirche St. Peter und Paul (Herderkirche) in Weimar, eine UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte, wird seit einigen Jahren aufwändig saniert und restauriert. Eine umfassende Kur erhielt auch der Cranach-Altar, ein nach einem liturgischen Entwurf im Jahr 1555 geschaffenes Gesamtkunstwerk.

Hier ist unter anderem Martin Luther angebildet, der in der Herderkirche mehrfach gepredigt hat. Am 31. Oktober in einem Gottesdienst zum Reformationsfest mit ARD-Fernsehübertragung und Predigt von Landesbischöfin Ilse Junkermann (10 Uhr) ist der Altar zum ersten Mal seit Zerstörung der Kirche im Februar 1945 in seiner Gesamtkonzeption zu sehen: Bestehend aus Altartisch und Cranach-Altar mit Gesprenge (geschnitzter Zieraufsatz oberhalb gotischer Flügelaltäre), Predella (Inschriftentafel unterhalb des Altarbilds), Tumba (Fürstengrab) und Renaissance-Grabgitter. Bestandteil der Arbeiten war die Wiederherstellung der im Zweiten Weltkrieg verloren gegangenen lateinischen Gedenkschrift der Predella als Weiheinschrift für den 1554 verstorbenen Herzog Johann Friedrich I. den Großmütigen (geb. 1503) und seine im gleichen Jahr verstorbene Frau Sibylle von Cleve (geb. 1512).

Allgemeines:
• Dauer der Konservierung und Restaurierung des Cranach-Altars von Juli bis Oktober 2014
• Kostenumfang 53.000 Euro
• Bearbeitung Gesprenge und Rahmen der Holztafelgemälde des Altars durch Dipl.-Rest. (VDR) Johannes Schaefer aus Altenburg
• Neuanfertigung der Schrifttafel der Predella nach alten Vorlagen als Werkstattarbeit durch die Firma Denkmalpflege und Restaurierung Erik Schiecke aus Erfurt
• Das Blattwerk der Konsolen und der Viertelstab der Rahmenleiste der Predella erneuerte die Firma „Kruse Restaurierungen“ aus Kreuzebra
• Mit Abschluss der Arbeiten endete der Bauabschnitt 3.1 der Sanierung der Herderkirche, im Juni 2015 beginnt der nächste Bauabschnitt zur Renovierung der Raumschale

Bearbeitung Gesprenge und Rahmen der Holztafelgemälde:
• Abnahme von Stäuben und Verschmutzungen auf den Holztafelgemälden durch Abstauben
• Feuchte Oberflächenreinigung am Gesprenge und an den Gesimsen
• Konservierung der Farbfassung des Gesprenges durch Festigung mit Glutinleim
• Schließen von Fehlstellen im Bereich der Farbfassung des Gesprenges und der Holztafelgemälde durch Retusche in Aquarellfarbe
• Festigung der Polimentvergoldung der Rahmen der Holztafelgemälde
• Lotrechte Ausrichtung des Gesprenges und Stabilisierung der Rückverankerung
• Farbfassung der Gesimse und Rahmen der Predella mit frottiertem Tempera-Anstrich auf Kreidegrund in Ocker und Braun
• Dampfstrahlreinigung der Natursteinverblender des Unterbaus (aus Cottaer Sandstein)

Neuanfertigung der Schrifttafel der Predella:
• Ersatz der schlichten Nadelholztafel mit grauem Anstrich ohne Inschrift vom Wiederaufbau der Stadtkirche 1949/53 nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges
• Fertigung aus einer Lindenholzplatte mit den Abmessungen 99 mal 228 Zentimeter
• Schriftart, Schriftgröße und Satzbreite (Zeilenlänge) der in historischer Handwerkstechnik als Kerbschnitt geschaffenen lateinischen Gedenkinschrift wurden dem von Peter Troschel 1645 geschaffenen Kupferstich entnommen und inhaltlich auf Richtigkeit überprüft
• Die Gedenkinschrift, verfasst von dem Dichter und späteren ersten Dekan der philosophischen Fakultät und Rektor der Rhetorik der Universität in Jena, Johann[es] Stigel, besteht aus drei Absätzen
• Der die Schrifttafel dominierende, obere Absatz berichtet vom Anlass und den Stiftern der Gedenkinschrift, den Söhnen des verstorbenen Herzogpaares: Johann Friedrich II. dem Mittleren (1529-1595), Johann Wilhelm (1530-1573) und Johann Friedrich III. dem Jüngeren (1538-1565)
• Im unteren Viertel befinden sich zwei nebeneinander angeordnete Absätze (Spalten) in gleicher Schriftgröße und Satzbreite (Zeilenlänge); sie berichten von der Hoffnung der Landesherren auf Wiedererlangung der 1547 verlorenen Kurwürde, der konfessionellen Beharrlichkeit und der Bitte um die Bewahrung des Glaubens
• Als Schriftart wurde eine serifenfreie Antiquaschrift (Univers Extended) verwendet, die die Unzulänglichkeiten des beim Wiederaufbau 1949/53 geänderten Längen-Höhen-Verhältnisses der Predella ausglich (die Predella wurde wesentlich niedriger hergestellt)
• Die Buchstaben der Schrifttafel wurden ölvergoldet und die Fondfläche in Braun als Tempera-Anstrich auf Kreidegrund gestaltet

Zusatzarbeiten:
• Schnitzen der beiden 1949/53 nicht rekonstruierten Konsolen an den Stirnseiten der Predella aus Lindenholz, die nun mit den beiden rahmenden Frontkonsolen wieder die Funktion von Last abtragenden Bauteilen unter dem Gesims übernehmen
• Das Blattwerk der Konsolen und der Viertelstab der Rahmenleiste der Predella erhielten eine Polimentvergoldung auf rotem Bolus (Orangedoppelgold), die Rücklagen der Konsolen bekamen einen Tempera-Anstrich auf Kreidegrund

Deutsche Übersetzung der Gedenkinschrift nach Elisabeth Asshoff:
Den Durchlauchtigsten und Hochgeborenen Fürsten Herrn Johann Friedrich I., Herzog von Sachsen, geborenen Kurfürsten des Römischen Reiches, Landgrafen von Thüringen, Markgrafen von Meißen und Herrin Sibylle, geborenen Fürstin von Cleve, Jülich, Berg etc., ihren sehr teuren Eltern, haben die tief betrübten Söhne Johann Friedrich II., Johann Wilhelm, Johann Friedrich III. aus Dankbarkeit dieses Denkmal gesetzt.
Ihren Eltern, die im grausamen Krieg ihren gerecht machenden Glauben durch standhafte Frömmigkeit bekannt haben, ihren frommen Eltern, haben von Frömmigkeit beseelt die dankbaren Kinder, drei Brüder aus einem Herzen, diese Tafel gesetzt, damit sie im Laufe der Jahre des verteidigten Glaubens Denkmal und der Liebe ein Pfand sei.
Christus, der Du den Deinen wirksam Schutz und Schirm gewährst, so dass sie auch das überwinden, was unüberwindlich erscheint. Gib Frieden und halte die Feinde in Schranken! Trage Du als Mittler Sorge für die, die den Vater fürchten, dessen leuchtende Weisheit Du ausstrahlst! Hinweg, Du unselige Weisheit der Menschen! Gerecht vor Gott macht das Vertrauen in Christus allein. Im Jahr des Herrn 1555

Bei Rückfragen: Superintendent Henrich Herbst, 03643-804473